Stiftskirche St. Amandus Bad Urach


Typ: Spätgotische dreischiffige Pfeilerbasilika
Errichtung der Stiftskirche:1475-1501
Baumeister:Peter von Koblenz (ab 1481)
Errichtung des Mönchshofes:1477-1482
Generalsanierung der Kirche, Fertigstellung des Turms, Neugotische Innenausgestaltung: 
1896-1901
Leitung:Heinrich Dolmetsch (1846-1908)
Renovierung des Innenraumes:1988-1990
Bemerkenswerte Ausstattungsstücke:
  • Kanzel aus Sandstein (1501)
  • Taufstein (1518)
  • Wenige erhaltene Glasscheiben (Ende 15. Jh.)
  • Betstuhl des Grafen Eberhard V. aus Eichenholz (1472)
  • Grabdenkmäler, Epitaphien, Totenschilde aus vier Jahrhunderten
  • Abendglocke (1462, aus der Vorgängerkirche)



> Baugeschichte < > Baubeschreibung <



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Zeittafel:
Vorgeschichte, Baugeschichte,
eingebettet in das kultur- und kunstgeschichtliche Umfeld
grau = Allgemein-historischer Kontext
grün = Kunsthistorischer Kontext

Um 1050

Im 11. Jahrhundert beginnen sich einzelne Geschlechter des Hochadels zu formieren und regional zu verankern. Zuvor hatte der Adel vorwiegend auf herrschaftlichen Gutshöfen gelebt, deren Besitzverhältnisse durch Heiraten und Erbteilungen sich immer wieder veränderte. Nun kristallisieren sich einzelne Familien heraus, die versuchen, ihren Besitz räumlich systematisch zu erweitern und dann ungeteilt an die nächste Generation weiterzugeben. Äußeres Zeichen dieser Entwicklung ist auch der Bau von neuen wehrhaften Wohnsitzen, meist herausgehoben auf einem Berg. Da zunächst nur Hochadelige das Recht hatten Wehrbauten zu errichten, ist eine Burgengründung im 11. Jahrhundert immer ein Indiz dafür, dass der Erbauer bereits zu dieser Zeit Macht und Ansehen genoß, auch wenn die Familie in schriftlichen Quellen zuvor vielleicht noch nicht zu fassen ist. Als weiteres Zeichen für diese "Dynastiegründungen" nannten sich die Familien künftig meist nach dem Berg, auf dem sie ihre neue "Stammburg" errichtet hatten. So hat zum Beispiel Graf Friedrich von Büren um 1079 die Burg auf dem Staufen und damit das Geschlecht der Staufer begründet oder Konrad von Beutelsbach 1083 die Burg auf dem Württemberg.

Auch am nördlichen Rand der Schwäbischen Alb war ein mächtiges Grafengeschlecht ansässig. Ihr Herrschaftsitz war die Siedlung Urach im geschützen Tal der Erms. Den Namen "Urach" hatten sie womöglich selbst von ihrem früheren Besitz, Aura an der Saale, mitgebracht, als sie sich hier eine neue Heimat schufen. Unmittelbar an dem Flüßchen Erms hatten sie sich eine Wasserburg gebaut. Nun, um die Mitte des 11. Jahrhunderts errichten sie Höhenburgen auf der Achalm (bei Reutlingen) und ganz in der Nähe ihrer Wasserburg, die Burg "Hohenurach".

Unmittelbar bei der Wasserburg in der Siedlung Urach gab es um 1100 auch bereits eine Kirche an dem Platz der heutigen Amanduskirche. Bei Renovierungsarbeiten um 1990 wurden Fundamentreste von insgesamt 3 Vorgängerkirchen gefunden. Zwar konnten diese zeitlich nicht differenziert eingeordnet werden zumindest konnte aber eine Kirchenbautradition an dieser Stelle nachgewiesen werden, die mindestens bis ins Ende des 11. Jahrhunderts zurückreicht.

Um 1150

Mitte des 12. Jahrhunderts wird in Urach eine Kirche genannt, die der Jungfrau Maria sowie den Heiligen Andreas und Amandus geweiht ist.

1188

Urach besitzt bereits einen Markt.

1235

Im Zusammenhang der Auseinandersetzungen des Stauferkaisers Friedrich II. mit seinem abtrünnigen Sohn König Heinrich (VII.) wird die Burg Hohenurach erstmals urkundlich erwähnt. Graf Egino V. von Urach und Freiburg sowie seine Brüder, die Grafen Berthold und Rudolf von Urach kämpfen auf der Seite des abtrünnigen Königs Heinrich (VII.).

1254 / 1265

Im Jahre 1218 beerben die Grafen von Urach die Zähringer und bekommen den Breisgau, das Kinzigtal, den mittleren Schwarzwald sowie die Baar. Als "Grafen von Freiburg" und "Grafen von Fürstenberg" bestehen sie in diesen Gebieten weiter. Die alten Besitzungen um Urach sind demgegenüber bedeutungsloser geworden. Mit Graf Berthold von Urach stirbt 1261 die Linie hier aus.
Das ermöglichte dem württembergischen Grafen Ulrich I., dem Stifter (gest.1265), der ohnehin gerade dabei war, nach dem Zusammenbruch der Stauferherrschaft die territorialen Grundlagen der Herrschaft Württemberg zu legen, zunächst 1254 den Hauptsitz der Uracher Grafen und dann 1265 den Gesamtbesitz zu erwerben. Er war es auch, der zuvor schon durch Heirat die badische Stadtgründung Stuttgart in württembergische Hand gebracht hat.

1320

Nachdem die Truppen der Reichsstadt Esslingen 1316 die Stammburg der Württemberger zerstört hatten verlegten diese ihren Sitz in die befestigte Stadt Stuttgart, die sie zur Residenz erhoben. Hier war um 1240 an der Stelle einer romanischen Dorfkirche eine neue Stadtkirche entstanden. Diese wurde nun durch päpstliches Dekret zur Stiftskirche erhoben und das Chorherrenstift samt Grablege der Württemberger aus Beutelsbach nach Stuttgart verlegt.

Die große Zahl der Chorherren verlangte nach einer Vergrößerung, so daß hier in Stuttgart zwischen 1327 und 1347 ein neuer frühgotischer Chor entstand.

14. Jahrhundert

Auch in Urach wurde im 14. Jahrhundert eine neue Kirche errichtet, der unmittelbare Vorgängerbau der heutigen Amanduskirche, die Kirche S.S.Mariae, Andreae und Amandi. Sie soll reich mit Altären ausgestattet gewesen sein und eine besondere Stellung im zuständigen Bistum Konstanz eingenommen haben. Sie hatte bereits eine beachtliche Größe: mit einer Länge von 45 m und einer Breite von 19 m war sie nur um 1/4 kleiner als die heutige Kirche.

1380

Der Enkel des gegenwärtigen württembergischen Landesherrn Graf Eberhard II., der ihm 12 Jahre später als Eberhard III. in der Regierung folgen wird, saniert durch seine Heirat mit der reichen Mailänderin Antonia Visconti die maroden württembergischen Finanzen. Die Hochzeitsfeierlichkeiten findet nicht in Stuttgart sondern im Wasserschloß von Urach statt.

1401

In der 2. Hälfte des 14. Jahrunderts war in den Niederlanden eine "moderne" Frömmigkeitsbewegung entstanden, die "devotio moderna". Daraus entwickelte sich eine neue christliche Lebensform: Kleriker und Laien fanden sich in Bürgerhäusern zusammen um gemeinsam als Brüder (bzw. Schwestern) zu leben, zu beten, zu lesen und zu arbeiten. Ziel war es, ein Leben in der Nachfolge Christi zu führen, ohne (wie die Klöster) jemanden davon auszuschließen. Man konnte - wie die Mönche - nach den Anweisungen Christi in Armut, Keuschheit und Gehorsam leben ohne deshalb selbst Mönch werden zu müssen. Man wollte sich auch nicht hinter Klostermauern verbergen sondern aktiv in der Gemeinde tätig sein und man wollte auch nicht wie die Bettelmönche anderen zur Last fallen.
Die Gemeinschaften nannten sich "Brüder vom gemeinsamen Leben". Anfang des 15. Jahrhunderts griff diese Bewegung auf Niederdeutschland über, nun wird in Münster das erste deutsche Brüderhaus gegründet.
Die Kleidung der Brüder entspricht ihrer Vorstellung von Schlichtheit: ein Gewand aus grauer oder schwarzer Wolle mit einem schwarzen Gürtel zusammengehalten. Außerhalb des Hauses tragen sie eine Kapuze und einen blauen Mantel, weshalb sie in der Bevölkerung den Namen "Kappenbrüder", "Gugelherren" oder - später in Württemberg - auch "blaue Brüder" bekommen.

1418

Der ehemalige Kanzler der Pariser Universität, Johannes Gerson (1363-1429) verteidigt auf dem Konstanzer Konzil die Lebensweise der Brüder vom gemeinsamen Leben gegen heftige Angriffe.

02.07.1419

Der württembergische Landesherr, Graf Eberhard IV. verstirbt im Alter etwa 30 Jahren. Seine beiden Söhne, Ludwig und Ulrich sind erst 7 und 6 Jahre alt. In Stuttgart kommt es deshalb zu einer vormundschaftlichen Regierung an der auch die Witwe, Henriette von Mömpelgard, beteiligt ist. Noch im November des gleichen Jahres wird der 7-jährige Ludwig mit der erst 8 Monate alten Mechthild von der Pfalz, der Tochter des Heidelberger Kurfürsten Ludwig III. verlobt.

1426

Der 14-jährige Ludwig wird für mündig erklärt und besteigt nach 7-jähriger Statthalterregierung den württembergischen Grafenthron.

1433

Der jüngere Bruder von Graf Ludwig I. von Württemberg, der inzwischen 20-jährige Ulrich wird nun auch zur Mitregierung in Stuttgart zugelassen. Die Brüder führen ab jetzt die Regierung gemeinschaftlich.

1433

In Stuttgart beginnen die Bauarbeiten für das neue Langhaus der Stiftskirche. Nach der Verlegung von Chorherrenstift und Grablege aus Beutelsbach nach Stuttgart war hier in den Jahren 1327 bis 1347 ein neuer frühgotischer Chor aufgeführt worden. Nun wird daran ein spätgotisches Langhaus angeschlossen.
Baumeister des neuen Langhauses in Stuttgart ist Hänslin Jörg (um 1380 in Stuttgart geboren), der von Ulrich von Ensingen an der Bauhütte der Frauenkirche in Esslingen ausgebildet wurde. Nach seinem Tod folgt ihm sein Sohn Aberlin Jörg (um 1420 - 1494).
Unter Beibehaltung der vorgegebenen Mittelschiffbreite der romanischen Basilika konzipiert Hänslin Jörg eine Staffelhalle mit rahmenden Kapellennischen. Ein Konzept, das damals bei allen größeren Stadtkirchen in Schwaben zur Anwendung kam. Das Mittelschiff in Stuttgart wurde um ein Drittel höher als die Seitenschiffe, blieb als Hallenkirche aber ohne Obergadenfenster. Die Gewölbe der Kapellen setzten in der gleichen Höhe an wie die der Seitenschiffe, so dass der Raumeindruck einer fünfschiffigen Halle entstand. Der Bau des Stuttgarter Langhauses hat sich über 3 Jahrzehnte hingezogen.

21.10.1436

Nachdem Mechthild von der Pfalz heiratsfähig ist, erfolgt in Stuttgart die 17 Jahre zuvor vereinbarte Hochzeit mit Graf Ludwig I. von Württemberg.

1439

Graf Ludwig I. und seiner Frau Mechthild wird der erste Sohn geboren und ebenfalls auf den Namen Ludwig getauft. Er wird schwer an Epilepsie leiden und bereits 1457 18-jährig versterben.

29.01.1441

Graf Ulrich V. heiratet die verwitwete Herzogin Margarethe von Bayern-München, Tochter von Herzog Adolf II. von Cleve.

23.04.1441

Wohl in der Folge seiner Verheiratung setzt Graf Ulrich V. die Teilung des Landes durch. Sie soll zunächst auf 4 Jahre beschränkt sein. Der Neckar soll die Grenzline bilden, wobei Ludwig den westlichen und Ulrich den östlichen Teil erhalten soll. Die Grafschaft war zuvor seit Ulrich I. über zwei Jahrhunderte hinweg kontinuierlich gewachsen und inzwischen die größte geschlossene Herrschaft im Südwesten.

25.01.1442

Nur wenige Monate nach der ersten Teilung des Landes erfolgt nun mit dem "Nürtinger Vertrag" eine zweite und zwar zeitlich unbefristete Teilung. Dabei werden die unterschiedlichen Erträge der Städte und Ämter genauer berücksichtigt und es wird deshalb auch eine andere Grenzlinie als bei der ersten Teilung vereinbart. Ludwig erhält den südlichen und westlichen Landesteil, Ulrich den nördlichen und östlichen. Die Brüder gehen zwar nun auch politisch verschiedene Wege, haben aber persönlich weiterhin ein gutes Einvernehmen.

1443

Da die bisherige württembergische Residenzstadt Stuttgart im Landesteil von Ulrich V. liegt, muß sich sein Bruder Ludwig I. eine neue Residenz schaffen und wählt dazu die Stadt Urach. Zunächst entsteht neben der alten Wasserburg ein neues Residenzschloß nach dem Vorbild des Schlosses in Stuttgart. Gleichzeitig wird auch schon eine Stadterweiterung nach Osten hin eingeleitet.

Möglicherweise entstand schon in diesen Jahren eine eigenständige Uracher (von Stuttgart unabhänge) Bauhütte. Die Bauhütte in Stuttgart war zu dieser Zeit voll mit dem neuen Langhaus der Stuttgarter Stiftskirche beschäftigt und stand bis ca. 1450 unter der Leitung von Hänslin Jörg, der aus der Esslinger Frauenkirchen-Bauhütte der Werkmeister Ensinger hervorgegangen war. Er wurde nach seinem Tod um 1450 von seinem Sohn Aberlin Jörg (ca. 1420 - 1494) abgelöst.

Im gleichen Jahr wird dem Grafen und seiner Frau Mechthild der zweite Sohn geboren. Er erhält den Namen Andreas und stirbt bereits 8 Tage nach seiner Geburt.

1444

Mechthild von der Pfalz, Ehefrau von Graf Ludwig I. von Württemberg schenkt einer Tochter das Leben, die auf den Namen Mechthild getauft wird.

11.12.1445

Wieder wird im Uracher Residenzschloss ein Sohn geboren: Graf Ludwig I. und Gräfin Mechthild lassen ihn eine Woche später, am 18.12.1445 in der Uracher Kirche auf den Namen Eberhard taufen. Er wird als Graf Eberhard im Bart in die Geschichte eingehen, wird Württemberg wieder vereinen und zum Herzogtum führen - und er wird diese seine Taufkirche abreißen und an ihrer Stelle eine neue, größere, moderne Stiftskirche bauen lassen.

1447

Gräfin Mechthild schenkt nochmal einer Tochter das Leben, die auf den Namen Elisabeth getauft wird.

24.09.1450

Völlig unerwartet verstirbt Graf Ludwig I. von Württemberg im Alter von 38 Jahren an einer ansteckenden Krankheit (Pest ?) und wird in der von ihm als Grablege bestimmten Kartause Güterstein bei Urach beerdigt. Seine beiden Söhne sind noch minderjährig: der kränkliche Ludwig ist 11 Jahre und Eberhard 5 Jahre alt. Sowohl der Stuttgarter Onkel Ulrich V. als auch der Heidelberger Onkel Friedrich der Siegreiche versuchen Einfluß auf den Uracher Landesteil zu gewinnen. Letztlich wird der Stuttgarter die Vormundschaft regeln. Gräfin Mechthild verzichtet bald auf die wenigen zugestandenen Rechte und heiratet in zweiter Ehe Erzherzog Albrecht VI. von Österreich, der die österreichischen Vorlande regiert.

1450

Der Stuttgarter Hofbaumeister Aberlin Jörg errichtet für die Alexanderkirche in Marbach einen hohen und lichten Chor als neuen Abschluss für die romanische Säulenbasilika.

03.11.1457

Nachdem alle ärztlichen Bemühungen vergebens waren stirbt der ältere der beiden Brüder, Ludwig, im Alter von 18 Jahren. Der Leonberger Landtag setzt im gleichen Monat erneut Ulrich V. in Stuttgart als Vormund des nun 12-jährigen Eberhard ein.

14.12.1459

Drei Tage nach seinem 14. Geburtstag übernimmt Eberhard die Regentschaft im Uracher Landesteil. Sein Vormund Ulrich V. hatte zuvor die Uracher Landschaft einberufen (Vertretung der Städte und Dörfer) um die Zeit der Vormundschaft zu verlängern. Eberhard entzog sich dem Machtbereich des Onkels, ging zuerst nach Rottenburg, wo seine Mutter residierte und dann zu Markgraf Karl von Baden nach Ettlingen. Von dort aus forderte er die Städte des Uracher Landesteils auf, ihm zu seiner rechtmäßigen Herrschaft zu verhelfen. Ohne Ulrich V. überhaupt einzuladen verhandelte nun die Uracher Landschaft in Tübingen und sprach sich für eine Regierungsübernahme Eberhards aus.

1463

Nach seiner Niederlage gegen den Pfalzgrafen Friedrich den Siegreichen in der Schlacht bei Seckenheim am 30.06.1462 geriet Ulrich V. in pfälzische Gefangenschaft und konnte erst am 27.04.1463 wieder nach Stuttgart zurückkehren.

Marbach, wo Aberlin Jörg vermutlich gerade die Arbeiten am neuen Langhaus begonnen hatte, wurde im Zuge der Lösegeldzahlungen an den Pfalzgrafen verpfändet. An der Alexanderkirche übernahmen nun Meister aus der Rheinpfalz die Bauarbeiten. Sie wollten wohl zunächst eine spätgotische Basilika mit niedrigen Seitenschiffen und einem hohen Mittelschiff mit Obergadenfenster bauen. Vermutlich gabe es aber Probleme mit der Überdachung der Seitenschiffe, so dass der Plan geändert wurde: man erhöhte die Seitenschiffe, ließ die schon vorhandenen Obergadenfenster im Mittelschiff unbelichtet und überdeckte alle Schiffe mit einem gemeinsamen gewaltigen Zeltdach. Dadurch entstand in Marbach eine harmonische Staffelhalle, die dann auch noch mit einem bemerkenswert schönen Netzgewölbe bekrönt wurde.

05.10.1468

Nachdem Graf Eberhard V. in der Kartause Güterstein am Grab seines Vaters den Reisesegen empfangen hatte, bricht er mit einem Troß von ca. vierzig Personen von Urach aus zu einer Pilgerreise nach Jerusalem auf. Dort wird er, wie auch seine adeligen Begleiter, am 12. August des gleichen Jahres in der Heilig-Grab-Kirche zum Ritter vom Heiligen Grab geschlagen.

Um 1470

Als Domprediger zu Mainz ist Gabriel Biel (ca.1418-1495) mit den "Brüdern vom gemeinsamen Leben" in Verbindung gekommen, hat sich von ihrem Lebensprogramm überzeugen lassen und wurde zur treibenden Kraft, die Brüderschaft in Oberdeutschland zu verbreiten. 1469 wurde er Propst des Stiftes in Butzbach. In dieser Eigenschaft hat ihn - und damit die Brüderschaft vom gemeinsamen Leben - Graf Eberhard V. wohl anläßlich von Familienbesuchen im Rheinhessischen kennengelernt.

1472

Graf Eberhard V. läßt sich einen prächtigen Betstuhl aus Eichenholz anfertigen. Aufgrund stilistischer Merkmale der Schnitzereien wird dieser mit der Ulmer Schule in Verbindung gebracht. 1626 wird erstmals die Aufstellung im Chor der Amanduskirche erwähnt. Da diese zum Zeitpunkt der Fertigung des Betstuhls aber nicht mal begonnen war, geht man heute davon aus, dass der Betstuhl für die Kartause Güterstein bestimmt und auch dort aufgestellt war.

12.07.1473

Nachdem Heinrich, der 2. Sohn von Graf Ulrich V. Ansprüche auf Mitregierung angemeldet hat, droht eine erneute Teilung des Stuttgarter Landesteils. Auf Betreiben von Graf Eberhard V. wird zwischen allen vier württembergischen Grafen in Urach ein Hausvertrag geschlossen. Durch die Regelung der gegenseitigen Erbfolge im Haus Württemberg wird mit diesem "Uracher Vertrag" die erneute Teilung verhindert und die Wiedervereinigung der bestehenden Teile angebahnt, die in diesem Vertrag erstmals als Ziel formuliert wird.

1474

Im Hinblick auf die bevorstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten läßt Graf Eberhard V. im 30 Jahre alten Uracher Schloß mehrere Umbauten durchführen. Um seine vornehme Herkunft zu dokumentieren läßt er im großen Saal eine sog. Ahnenprobe, d.h. die acht Wappen seiner Urgroßeltern anbringen. Die Wappen werden jeweils kombiniert mit seinem neu gewählten Symbol der Palme und seiner Devise Attempto (Ich versuch´s, ich wag´s).

12.04.1474

Im Dom von Mantua findet die kirchliche Trauung von Graf Eberhard V. von Württemberg mit der Tochter des Markgrafen Ludwig des Bärtigen von Mantua, Barbara Gonzaga statt.

03. bis 06.07.1474

Vier Tage lang wird in Urach mit einem glanzvollen Fest die Hochzeit von Graf Eberhard V. und Barbara Gonzaga von Mantua gefeiert. 13.000 Personen wurden verköstigt, 4.280 Pferde versorgt. Gleich nach Ankunft der Braut hatte der Bischof von Konstanz in der Uracher Kirche einen Trauungsgottesdienst abgehalten. Es war der letzte Festgottesdienst in dieser Kirche vor dem Neubau.

1475

Vermutlicher Baubeginn für die neue Stiftskirche in Urach. Die Planungen begannen schon in den Vorjahren, man hatte jedoch mit dem Abriß der alten Kirche bis nach der Hochzeitsfeier des Grafen gewartet.
Die alte Kirche war weder zu klein geworden, noch war sie baufällig. Trotzdem brauchte man in Urach eine neue Kirche:
  1. War Urach ja nun schon seit 30 Jahren Residenzstadt des südlichen Landesteils und sollte nun endlich eine Kirche erhalten, die den Vergleich mit der Stiftskirche der alten Residenzstadt Stuttgart nicht zu scheuen brauchte - und dort war gerade nach 30-jähriger Bauzeit das neue Langhaus fertig geworden.
  2. Wollte Graf Eberhard V. der religiösen Erneuerung seines Landes, die ihm sehr am Herzen lag und wegen der er ja auch die Brüder vom gemeinsamen Leben ins Land holen wollte, auch nach außen hin einen sichtbaren Ausdruck verleihen. Das neue geistliche Zentrum seiner Grafschaft sollte deshalb eine größere, repräsentativere und modernere Kirche sein, als es die alte Uracher Pfarrkirche war.
Baumeister der Kirche ist Werkmeister Hans Koch, der bis zu diesem Jahr bei seinem Vater Hans Böblinger, dem berühmten Werkmeister der Esslinger Frauenkirche gearbeitet hat. Geplant war wohl eine Kirche nach dem Muster, nach dem in dieser späten Gotik alle großen Stadtkirchen in Schwaben gebaut wurden: Staffelhalle mit einem Kapellenkranz zwischen den eingezogenen Strebepfeilern.

1477 / 1478

In diesen beiden Jahren treffen mehrere Ereignisse sicher nicht zufällig zusammen, auf die Graf Eberhard V. zielstrebig hingearbeitet hatte.
  1. Graf Eberhard V. gründet von Urach aus die Universität in Tübingen.
    Am 11. März 1477 wird feierlich die Papstbulle vom 13.11.1476 veröffentlicht, mit der dieser das Recht erteilt, in Tübingen ein "studium generale" einzurichten, zu lehren und akademische Grade zu verleihen. Schon im Oktober des gleichen Jahres wird in Tübingen der Vorlesungsbetrieb mit 235 Studenten aufgenommen.
    Treibende Kraft dabei war Johannes Vergenhans (1425-1510), Humanistennamen Nauclerus (Ferge, Fährmann). Er war zunächst Erzieher und Lehrer Eberhards, später Ratgeber und Freund.Von 1482 bis 1509 war er als Tübinger Stiftsprobst zugleich Kanzler der Universität.
    Wesentlich gefördert wurde das Projekt auch durch Eberhards Mutter, der geborenen Pfalzgräfin Mechthild. Sie ist noch mit zwei weiteren Universitäten in Verbindung zu bringen: in Heidelberg wuchs sie mit der Universität auf, die ihre Familie bereits 1386 als erste in Deutschland gegründet hatte und in Freiburg war es Mechthilds zweiter Ehemann, Erzherzog Albrecht VI. von Österreich, der wenige Jahre nach ihrer Heirat mit ihm die dortige Universität gründete.


  2. Graf Eberhard siedelt in Urach die "Brüder vom gemeinsamen Leben" an.
    Am 01.05.1477 wird durch päpstliche Verfügung auf Antrag Graf Eberhards V. die Uracher Pfarrkirche zu einer Kollegialskirche erhoben. Dies ist die Voraussetzung für die von Graf Eberhard geplante Ansiedlung der Brüder vom Gemeinsamen Leben.
    Am 01.08.1477 wird der neu erbaute Chor (noch ohne Gewölbe) und die Sakristei feierlich den neuen Uracher Chorherren, den "Brüdern vom gemeinsamen Leben" zur Benutzung übergeben. Gleichzeitig wird mit dem Bau des Langhauses und an dessen Nordseite anschließend auf dem Platz des aufgelassenen Friedhofs mit dem Bau der Dreiflügelanlage des Brüderhaus begonnen.


  3. Auf Veranlassung von Graf Eberhard V. wird in Urach eine Papiermühle eingerichtet.

  4. Graf Eberhard V. veranlaßt den Buchdrucker Konrad Fyner seine Werkstatt von Esslingen nach Urach zu verlegen. Sowohl er als auch die Fraterherren machen von der Möglichkeit des Drucken regen Gebrauch.

1480

Vermutliches Geburtsjahr des Meisters Chrisoph von Urach (1480 - um 1543), dem Schöpfer des Uracher Taufsteins, Bildhauer zwischen Gotik und Renaissance.

1480

Graf Ulrich V. übergibt in Stuttgart die Regierung seiner Landeshälfte seinem Sohn Eberhard VI. Schon im Herbst des gleichen Jahres stirbt Graf Ulrich V.

1481

Unerwartet stirbt Werkmeister Hans Koch, der Baumeister der neuen Stiftskirche in Urach. Laut einer Inschrift am Turm ist dieser zu der Zeit gerade erst 3 Meter hoch.

Nachfolger wird Peter Steinmetz von Koblenz. Über Peters beruflichen Werdegang bevor er nach Urach kam ist wenig bekannt. Er stammte aus dem kleinen Dorf Werkhausen, ca. 40 km von Koblenz entfernt. Möglicherweise hat er auf seiner Gesellenwanderung auch in Bozen gearbeitet und das blühende Südtiroler Kunstschaffen und vielleicht auch Oberitalen gekannt. Um die Zeit als er in Urach auftaucht wurden in Koblenz gerade zwei große Kirchenbauprojekte abgeschlossen, so dass sich der junge Baumeister nach einer neuen Aufgabe umgesehen haben könnte. Eventuell ist Graf Eberhard V. durch die familiären Kontakte über seine Mutter, die geborene Pfalzgräfin Mechthild, auf Peter aufmerksam geworden, als er wegen des plötzlichen Todes von Hans Koch einen neuen Werkmeister suchen mußte. Peter wäre nicht der erste Künstler gewesen, der durch die Verbindungen Mechthilds aus der Rheinpfalz nach Württemberg gekommen ist. Und in seinem Gefolge ist dann noch eine ganze Schar von Steinmetzen, Bildhauer und Mildschnitzer aus dem Mittelrheingebiet nach Urach gekommen, das sich zu einem neuen Zentrum der Kunst entwickelte.

Mit dem 15. Jahrhundert ging das hierarchische System der mittelalterlichen Bauhütte seinem Ende entgegen. Individuell geprägte Künstlerpersönlichkeiten fanden sich in Zusammenschlüssen von führenden Meistern und gleichgestellten Nebenmeistern zusammen. Unter Peter von Koblenz entstand auch in Urach ein Zusammenschluß der hier ansässigen Handwerker und Künstler mit einer gemeinschaftlichen Ausbildung, der "Uracher Meisterkreis". Dieser Kreis bestand über 3 Generationen und mehr als 50 Jahre lang. Er hat die Entwicklung der spätgotischen Baukunst in Schwaben entscheidend geprägt. Zweimalige deutliche Stilwechsel in dieser Zeit deuten daraufhin, dass der Uracher Meisterkreis immer wieder durch Nachschub aus dem damals führenden Kulturzentrum der Pfalz aufgefüllt worden ist.

Mit der Übernahme der Bauleitung durch Peter von Koblenz dürfte in Urach auch eine Planänderung vorgenommen worden sein. Vielleicht konnte er, der er von außen kam, das in Schwaben so beliebte Schema der Staffelhalle mit eingezogenen Strebepfeilern und Kapellenkranz leichter in Frage stellen. Nach diesem Muster wurden in der Spätgotik alle größeren Stadtkirchen in Schwaben errichtet. Aber diese Kirchen waren eben "Bürgerkirchen" und in Urach sollte eine Stiftskirche entstehen, die zudem noch Hofkirche war. So ist es möglich, dass Peter als neuer Baumeister den Grafen davon überzeugt hat, dass das alte Schema der hierarchich gegliederten, der herrschaftlichen Basilika für eine Hofkirche passender ist. Auf jeden Fall wurde wurde nun ein extrem hohes Mittelschiff mit Obergadenfenstern aufgeführt. Vermutlich wurde es Ende der 80er Jahre noch vor dem Chor eingewölbt.

Meister Peter von Koblenz hat in den folgenden 25 Jahre viele Bauten in Württemberg errichtet oder vollendet. Als Württemberg zwei Jahre später wieder vereint und Graf Eberhard V. Herrscher des ganzen Landes ist, wird Peter von Koblenz Werkmeister des vereinigten Württemberg und verlegt seinen Wohnsitz bis zum Tod Graf Eberhards nach Stuttgart um danach die letzten Jahre in Urach zu verbringen. Wenn auch die ursprüngliche Planung der Amanduskirche nicht von ihm stammt und wenn er auch die letzten Arbeiten nicht mehr selbst geleitet hat, so ist die Amanduskirche doch sein Hauptwerk geworden.

1481

Das von Graf Ludwig I., dem Vater von Graf Eberhard V., gegründete weltliche Chorherrenstift in Herrenberg wird mit Fraterherren besetzt und so deren zweites Haus in Württemberg.

17.03.1482

Graf Eberhard V. weilt mit großem Gefolge in Rom. Am Sonntag Laetare, dem 4. Fastensonntag, erhält er vom Papst eine geweihte goldene Rose, die traditionell jedes Jahr an eine Persönlichkeit oder Institution übergeben wird, die sich um das Papsttum besonders verdient gemacht hat.
Der Graf überläßt nach seiner Rückkehr die Rose der Amanduskirche wo sie noch 1535 im Inventar aufgeführt wird. Aber bereits 1538 erscheint sie im Inventar von Herzog Ulrichs Silbergeschirr und danach ist sie wohl eingeschmolzen worden.

1482

Graf Eberhard V. erbaut auf dem Einsiedel, einer Hochfläche im Schönbuch bei Tübingen, ein Jagdschlösschen.

1482

In Dettingen an der Erms wird das dritte Brüderhaus vom gemeinsamen Leben in Württemberg gegründet. In Tübingen wird für die an der Universität immatrikulierten Brüder vom gemeinsamen Leben eine Niederlassung gegründet.

14.12.1482

Im "Münsinger Vertrag" beenden die Grafen Eberhard V. und Eberhard VI. die vierzigjährige Teilung des Landes Württemberg und legen für die Zukunft seine Unteilbarkeit fest. Graf Eberhard V. übernimmt die Regierung des vereinten Landes, sein Vetter gibt sich zunächst mit einem Mitspracherecht und einer jährlichen Rente zufrieden. Graf Eberhard V. residiert künftig in Stuttgart. Die 40-jährige Geschichte Urachs als Residenzstadt ist damit zwar schon zu Ende doch darf sich Urach auch weiterhin der Gunst des Grafen erfreuen.

1485 bis 1494

Meister Martin von Urach, ein Landsmann des Peter von Koblenz, baut mit diesem zusammen wesentliche Teile des Hirsauer Kreuzganges. Danach arbeitet er an der Uracher Kanzel und am Uracher Marktbrunnen. Er leitet über zur zweiten Künstlergruppe des Uracher Meisterkreises, die einem kräftigen Realismus huldigt, der sich in der Rheinpfalz schon vor 1500 entwickelt hatte, sich in Schwaben aber erst zwischen 1500 und 1520 durchsetzte.

22.04.1485

Im Stuttgarter Vertrag verzichtet Eberhard VI. gegen eine drastische Erhöhung der Jahresrente auf die Mitregierung.

1486

In Tachenhausen (abgegangener Ort bei Nürtingen) entsteht das vierte Brüderhaus vom gemeinsamen Leben in Württemberg.

Um 1487

Peter Steinmetz von Koblenz ist Hauptmeister beim Bau der Pfarrkirche in Heutingsheim.

1487 - 1495

Peter Steinmetz von Koblenz tritt als Hauptmeister am Chor der Michaelskirche in Eltingen auf.

1488

Graf Eberhard V. tritt dem Schwäbischen Bund bei, einem Zusammenschluß von Prälaten, Grafen, Rittern sowie der Reichsstädte Schwabens.

30.07.1488

Eberhard VI. streitet noch immer mit seinem Vetter um die Modalitäten seines Regierunsverzichtes. Im "Frankfurter Entscheid" nimmt sich König Maximilian der Streitigkeiten in Württemberg an. Er bestätigt die alleinige Regentschaft Eberhards V. und schließt Eberhard VI. von der Regierungsnachfolge im Uracher Landesteil aus.

1489

Bei Chor und Langhaus (dieses ohne Einwölbung) der Peterskirche in Weilheim/Teck tritt Peter Steinmetz von Koblenz als Hauptmeister auf.

1491

Meister Hans von Urach baut an der Öhringer Stadtkirche

1491 - 1497

Peter Steinmetz von Koblenz ist Hauptmeister bei Chor und Langhaus der Klosterkirche Blaubeuren.

20.05.1491

Graf Eberhard V. wird von dem späteren Kaiser Maximilian I. in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen. Dies markiert den Höhepunkt der Ausgleichspolitik Eberhards mit Habsburg.

1492

Meister Hans von Urach ist als Gmünder Kirchenbaumeister nachgewiesen.

1492

Graf Eberhard V. gründet auf dem Einsiedel im Schönbuch unmittelbar bei seinem Jagdschlößchen das Stift St. Peter. Hier sollen Angehörige der in Württemberg vertretenen drei Stände - Geistliche, Adlige und Bürger - in einer einzigen geistlichen Gemeinschaft zusammenleben (jeweils 12 Personen, dazu ein Propst und ein Meister, insgesamt also 13 Geistliche und 25 Laienbrüder). Eberhard hat an diesem Projekt außerordenlichen Anteil genommen, finanzierte die gesamten Baulichkeiten aus seinem Privatvermögen, wies dem Stift das Jagdschloß samt den umliegenden Ländereien zu und stattete die Neugründung mit 18.000 Gulden Kapital aus. Seine Gemahlin Barbara wird ausdrücklich als Mitstifterin erwähnt. Zusammen mit dem betagten Gabriel Biel verfaßte er die Statuten und Biel wurde hier noch einmal Propst. Für die Lebensweise der Geistlichen galten die Statuten der anderen Brüderhäuser, die Lebensweise der Laienbrüder wird detailliert beschrieben. Das Stift kam nicht zur vollen Blüte, da beide geistigen Väter schon bald nach der Gründung verstorben sind.

02.09.1492

Mit dem "Esslinger Vertrag" wird der endgültige Schlußpunkt unter den jahrelangen Streit der beiden Vettern gesetzt. Letztlich hatte Eberhard V. nicht nur die Einheit des Landes erreicht sondern auch den Ausschluß seines Vetters Eberhard VI. von der Regierung. Zu diesem Erfolg hat auch die Tatsache beigetragen, dass er die im Landtag vertretenen Stände einbezogen hat und alle wichtigen Verträge von ihnen mitsiegeln ließ.

1494

Peter Steinmetz von Koblenz tritt als Hauptmeister am Chor der Pfarrkirche in Dettingen/Erms auf.

1495

Meister Hans von Urach baut zusammen mit seinem Bruder Jakob von Urach den Chor der Schwäbisch Haller Michaelskirche.

Um 1495

Peter Steinmetz von Koblenz baut den Chor der Georgskirche in Schwieberdingen.

1495

Gariel Biel stirbt und wird im Stift St. Peter auf dem Einsiedel beigesetzt.

21.07.1495

In Worm versammeln sich König Maximilian und die Fürsten des Reiches unter freiem Himmel. Alle Besitztitel und Herrschaftsrechte der Grafen von Württemberg werden in einem feierlichen Akt zu einem einheitlichen Reichslehen zusammengefaßt und zu einem Herzogtum erhoben. Die Erhebung Graf Eberhards V. zum 1. Herzog von Württemberg ist der glanzvolle Abschluß seiner Außenpolitik und die Krönung seiner Bemühungen um die innere Einheit Württembergs.

25.02.1496

Herzog Eberhard I. von Württemberg verstirbt im Alter von 50 Jahren in Hohentübingen und wird seinem Wunsch entsprechend ohne großen Pomp in einer einfachen blauen Kutte eines Bruders im Stift St. Peter auf dem Einsiedel beigesetzt.
Da er keinen männlichen Nachkommen hinterläßt kommt es in Württemberg erneut zu einer Vormundschaftregierung. Seine beiden Vettern aus Stuttgart hatte Eberhard ja schon zuvor ausgeschaltet: der jetzt 49-jährige Eberhard war im jahrelangen Ringen von der Regierung ausgeschlossen worden und dessen ein Jahr jüngeren Bruder Heinrich hatte Herzog Eberhard schon 6 Jahre zuvor wegen angeblicher Geisteskrankheit auf dem Hohenurach gefangengesetzt. Als Thronerbe steht nur Heinrichs Sohn Ulrich bereit, der ist aber erst 9 Jahre alt.

Um 1496

Peter Steinmetz von Koblenz baut den Chor der Martinskirche in Münsingen.

29.05.1498

König Maximilian besucht das Grab Herzog Eberhards I. auf dem Einsiedel.

1499

In Urach gehen die Bauarbeiten an der neuen Stiftskirche dem Ende entgegen. Chor und Langhaus sind fertiggestellt, der Turm ist bis zur Glockenstube gediehen und bekommt lediglich noch ein niedriges Stockwerk mit der Türmerwohnung. Die Orgel hängt als als Schwalbennestorgel an der Nordwand des Mittelschiffs, aus der Glockenstube ertönt ein 4-stimmiges Geläut. Manches Detail wurde nicht mehr nach dem ursprünglichen Plan ausgeführt. Grund dafür war wohl der Verlust der Residenzfunktion von Urach nach der Wiedervereinigung. Insbesondere schien aber die herzogliche Vormundschaftsverwaltung in Stuttgart nach dem Tod von Herzog Eberhard I. das Interesse an diesem Bau verloren zu haben.
In Urach kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Vogt und Gericht als Oberpflegern und Meister Peter von Koblenz.

1500

In Urach wird die Kanzel für die Stiftskirche geschaffen. Der Riß dazu stammt vermutlich von dem Baumeister der Kirche, Peter von Koblenz selbst. Die handwerkliche Ausführung übertrifft den sonst üblichen Standard bei weitem.

26.04.1501

In Urach tritt ein Schiedsgericht zusammen an dem auch der von Meister Peter als Gutachter benannte Esslinger Hüttenmeister Matthäus Böblinger teilnimmt. Die ist die letzte urkundliche Erwähnung des Meisters Peter von Koblenz.

1501

Marx Welling, Nachfolger von Peter von Koblenz vollendet den Bau der Stiftskirche. Sein Meisterschild findet sich im Chorhaupt neben dem des Peter von Koblenz und in der westlichsten Seitenkapelle des Südschiffes.

16.11.1501

Peter von Koblenz wird in seinem Hauptwerk, der Stiftskirche St. Amandus begraben. Dort haben sich eine Grabplatte und am Brauttor vielleicht auch ein Selbstbildnis von ihm erhalten.

1508-1516

Mit der Hirsauer Marienkapelle entsteht das Hauptwerk des Meisters Martin von Urach.

1514

Herzog Ulrich und die Landschaft nehmen Anstoß an den Privilegien der Brüderhäuser vom gemeinsamen Leben. Obwohl der Lebenswandel der Brüder keinen Anlaß zu Beschwerden bot, erreicht der Herzog mit dem Argument, ihre Lebensweise sei fremdartig, eine päpstliche Genehmigung zur Aufhebung der Brüderhäuser und ihrer Umwandlung in weltliche Chorherrenstifte.

1516

Erste Erwähnung des Meisters Christoph von Urach in den Uracher Musterungslisten.

1517

Das 40-jährige Wirken der Brüder vom gemeinsamen Leben in Württemberg ist zu Ende. Herzog Ulrich setzt die Umwandlung der Brüderhäuser in weltliche Chorherrenstifte in die Tat um. Damit hat er als Patronatsherr wieder Zugriff auf deren Pfründen und Abgaben. Auch das Uracher Brüderhaus, der "Mönchshof" wird bis zur Reformation 1534 ein weltliches Chorherrenstift. Ausgenommen ist einzig das unter besonderem Schutz des Papstes stehende Stift St. Peter auf dem Einsiedel, in dem allerdings nur noch wenige Brüder leben.

1518

Meister Christoph von Urach stellt in der Stiftskirche St. Amandus den Taufstein auf, das Hauptwerk seiner ersten Schaffensperiode. Selbstbewußt nennt er sich darauf "Bildhauer und Bürger von Urach".

1519

Im Streit mit dem Schwäbischen Bund wegen seines Angriffs auf die Reichsstadt Reutlingen muss Herzog Ulrich sein Land verlassen. Württemberg kommt unter Österreichische Verwaltung. Jede Großbautätigkeit kommt damit zu erliegen, viele Meister verlegen ihr Tätigkeitsfeld in andere Gebiete.

1519

Meister Christoph von Urach liefert in der Stadtkirche des damals badischen Besigheim am Neckar einen Cyrakusaltar, der heute als eines der bedeutendsten Schreinwerke der späten Gotik im Neckargebiet gilt.

1523 / 1525

Meister Christoph von Urach wird erneute in den Uracher Musterungslisten wie auch als Steuerzahler in Urach genannt.

1534

Herzog Ulrich erobert sich mit Hilfe des Landgrafen Philipp von Hessen sein Land zurück und verhilft hier der Reformation zum Durchbruch. In Urach werden das Kloster Güterstein sowie das weltliche Chorherrenstift aufgelöst. Die Gebäude des Mönchshofs dienen als Wohnungen für Pfarrer und Lehrer.

1535

Bei der von Herzog Ulrich angeordneten "Inventur" müssen unzählige Kirchenkleinodien aus dem Uracher Kirchenschatz nach Stuttgart abgeliefert werden, darunter auch Graf Eberhards V. "Goldene Rose". Sogar die Goldstickereien von den Meßgewändern sind abzutrennen und abzuliefern.

10.09.1537

Eine Anordnung Herzog Ulrichs aus dem Vorjahr, "die Bilder, die man anbete aus den Gotteshäusern zu entfernen", wurde nur zögerlich umgesetzt. Da auch unter den württembergischen Reformationstheologen die Meinungen darüber auseinandergehen, treffen sie sich nun im Uracher Schloss zu einem Streitgespräch, das als "Uracher Götentag" in die Kirchengeschichte eingehen wird. Weil auch hier keine Einigung erzielt wird, kommt es in der Folge dann doch zur Umsetzung der herzoglichen Anordnung und damit zu einem selbst von einigen Reformationstheologen ungewollten Bildersturm. Unersetzliche Kunstwerke gehen dabei verloren. Nur Ausstattungsstücke, deren Inhalt oder Zweck im Sinne der reformierten Kirche umgedeutet werden können bleiben zum Teil verschont. In der Amanduskirche wird der Hochaltar, sämtliche Nebenaltäre, der Lettner sowie alle Heiligenstatuen entfernt. Die erhaltenen Stücke (Kanzel, Taufstein, Betstuhl) lassen erahnen, wie reich die Hofkirche des Grafen Eberhard V. einmal ausgestattet war.

1537

Da auch das Stift St. Peter auf dem Einsiedel inzwischen aufgelöst ist, werden die Gebeine Herzog Eberhards I. in die Tübinger Stiftskirche überführt. Die inzwischen reformierte Universität wollte auf ihren Gründer nicht verzichten und hat ihn quasi nachträglich der reformatorischen Bewegung einverleibt. Die ihm so wichtigen Brüderhäuser waren jedoch längst aufgelöst, sein Lieblingsprojekt, St. Peter auf dem Einsiedel ebenfalls preisgegeben und nun wurde auch noch gegen seinen letzten Willen verstoßen.

Um 1550

Christoph von Urach stirbt in der Markgrafschaft Baden. Wie viele seiner Kollegen hatte auch er wegen der politischen Verhältnisse und der Bilderfeindlichkeit der reformierten Kirche Württemberg verlassen. In Baden lieferte er für den Adel monumentale Grabdenkmäler im Stil der neuen Zeit, der Renaissance. Der Tod von Josef Schmid im gleichen Jahr in Urach markiert dann auch das Ende des sog. Uracher Meisterkreises. Schmid war der bedeutendste Meister der dritten Uracher Künstlergeneration und schuf z.B. die Tumba des Grafen Eberhard V. für die Stiftskirche Tübingen sowie das Epitaph für Hans Nothafft im Chor der Amanduskirche.

1561

Freiherr Hans von Ungnad und der slowenische Reformator Truber gründen im Uracher Mönchshof eine Bibelanstalt. In den folgenden 5 Jahren werden hier 25 Veröffentlichungen mit einer Gesamtauflage von ca. 25.000 Exemplaren in slowenischer, kroatischer und italienischer Sprache verlegt und gedruckt. Darunter fast die gesamt protestantische Literatur des 16. Jahrhundert in kroatischer Sprache.

1576

Wolf Neinthard gießt in Ulm die Totenglocke für die Amanduskirche.

1580

Die Stiftsgebäude von St. Peter auf dem Einsiedel fallen einem Brand zum Opfer.

1588

Ein knappes Jahrhundert nach Fertigstellung werden an der Amanduskirche erste Ausbesserungen und Veränderungen vorgenommen: Ausmalung der Gewölbe, Einbau von je einer Empore im südlichen Seitenschiff und an der Westwand des Mittelschiffes, Einbau eines festen Gestühls. Außerdem wurde im 16. Jahrhundert dem Turm ein geschweiftes Zeltdach aufgesetzt.

1599

Herzog Friedrich I. von Württemberg läßt in Urach die erste "Arbeitersiedlung" im Land erbauen, die sog. "Weberbleiche", eine Reihe von 29 Häusern vor der Stadtmauer. Die Weber wurden zum Teil zwangsweise hier angesiedelt und mußten "in die Kasse" des Herzogs arbeiten.

1599

Es wurden aber nicht nur die Weber hier angesiedelt, Urach wurde gleichzeitig auch Zentrum des Leinwandhandels im Land. Der Mönchshof dient jetzt der Weberzunft und später bis 1793 der "Privilegierten Leinwandhandlungs-Compagnie" als Lager, Ausstellungsraum und Handelsplatz.

1603

Zum Abschluß der Bauarbeiten an der Webervorstadt läßt Herzog Friedrich I. an deren Eingang stolz ein Prunktor aufstellen (heute in der Bismarckstrasse neben dem Residenzschloss).

1632

Anbringung des üppig dekorierten hölzernen Schalldeckels über der Kanzel der Amanduskirche. Er gilt als Werk des Uracher Schreinermeisters Claus Schließwecker.

1634 / 1635

Urach bekommt die Wirren des 30-jährigen Krieges zu spüren: Nach schwedischer Besatzung wird Urach von den "Kaiserlichen" erobert und fünf Tage lang geplündert. Auch die Amanduskirche hat dabei gelitten. Anschließend belagern die kaiserlichen Truppen die Festung Hohenurach bis sie im Juli 1635 übergeben wird. Die Bürger von Urach stellen bei den Siegern den Antrag, die Festung "zu sprengen und mit Feuer zu ruinieren", da sie ein ständiger Unsicherheitsfaktor für die Stadt sei.

1648

Bei Ende des 30-jährigen Krieges droht der Chor der Amanudskirche einzustürzen. Nicht nur die unmittelbaren Kriegsschäden sondern auch Wasserschäden durch die jahrzehntelange mangelnde Baupflege haben dazu geführt, dass die Wände im Chor unter der Last des Gewölbes bereits so weit auseinandergewichen sind, dass sogar die Glasgemälde der Chorfenster herausgefallen waren.

11.08.1650

Zum Friedensfest läßt Bernhard Schwan, Mitglied einer alten Uracher Kaufmannsfamilie, das von ihm gestiftete "eisern gespreng" um den Altar herum aufstellen.

1652

Durch Behebung der schlimmsten Schäden am Chor der Amanduskirche wird dessen drohender Einsturz abgewendet.

1663 - 1669

Unter Herzog Eberhard III. von Württemberg wird die Festung Hohenurach instandgesetzt und durch Außenwerke erweitert.

1670 - 1676

In der Amanudskirche werden nun auch im Langhaus schrittweise die Folgen von Krieg und Verwahrlosung beseitigt. Im Zuge dieser Renovierung werden die Obergadenfenster des Mittelschiffes erhöht und erhalten einen korbbogenförmigen Abschluß. Im südlichen Seitenschiff werden zusätzliche Fenster ausgebrochen. Zum Abschluß der Arbeiten werden - für eine reformierte Kirche ziemlich ungewöhnlich - Chor und Langhaus durch ein kunstgeschmiedetes Gitter getrennt.

15.04.1707

Am Freitag vor Palmsonntag, während viele Uracher zum Gottesdienst in der Amanduskirche sind, bricht in der herzoglichen Pulvermühle ein Brand aus. Das Magazin mit 120 Zentnern Schwarzpulver wird zwar verschont, aber 30 Zentner zum Trocknen ausgebreitetes Pulver kommen zur Explosion. Diese richtet in der Stadt großen Schaden an. In der Kirche fallen die Fenster der Nordseite ein, an den Gewölben entstehen über hundert Risse und Spälte. Besonders über der Kanzel reißen Gewölbekappen von der Wand und erschlagen fast den Prediger. Die Schwalbennestorgel darüber wird schwer beschädigt.

1708

Für die instandgesetzte Orgel (es soll noch das Werk von 1499 sein) wird über der Westempore eine zweite Empore errichtet. Hoch an der Nordwand des Mittelschiffes, wo die Orgel zuvor ihren Platz hatte, kündet noch heute ein gereimter Bericht von ihrer Beschädigung beim Explosionsunglück 1707.

1708

Die Guldenglocke, mit fast 1500 kg die größte des Uracher Geläutes, wird (vermutlich wegen eines Schadens) im Waschhaus des Spitals umgegossen.

1723

Wiedereinführung des Uracher Schäfertages mit Schäferlauf durch Herzog Eberhard-Ludwig von Württemberg.

1748

Schäden am Fachwerk der Türmerstube zwingen zu einer Erneuerung, dabei erhält der Turm ein Kupferblechdach.

1761

Herzog Carl-Eugen von Württemberg gibt die Festung Hohenurach als unzeitgemäß und unrentabel auf und läßt aus den gewonnenen Steinen u.a. das Jagdschloß Grafeneck bei Münsingen bauen.

1769

Das Orgelwerk der Amanduskirche ist reparaturbedürftig, die durchgeführten Veränderungen kommen fast einem Neubau gleich.

1775

Im südlichen Seitenschiff muß eine 2. Empore eingebaut werden. Gewölberippen und Konsolfiguren die dabei im Wege sind werden ohne Rücksicht abgeschlagen. Für einen überdachten Holzsteg vom benachbarten Schloss zu den Seitenemporen wird eines der Südfenster aufgebrochen.

1790

Das alte Wasserschloß der Grafen von Urach wird abgebrochen.

1800

Um diese Zeit wird ein Glasgemälde aus der Kirche des ehem. Dominikanerinnenklosters Gnadenzell zu Offenhausen in das mittlere Chorfenster der Amanduskirche eingesetzt. Die Scheibe stellt einen thronenden Christus dar.

1810

Nach Ablauf der Privilegien der Leinwandhandlungs-Compagnie und deren Auflösung 1793 diente der Mönchshof wieder nur als Wohnung für den Diakon. Nun läßt König Friedrich von Württemberg praktisch über Nacht hier einen Fohlenstall einrichten.

1817

Zum 300jährigen Reformationsjubiläum wird das Kircheninnere neu getüncht, die immer noch in rohem Holz stehenden beiden Südemporen mit Ölfarbe, Altar, Kanzel, Taufstein und viele Grabdenkmäler mit Steinfarbe gestrichen.

1817 / 1818

König Wilhelm I. von Württemberg läßt das Gestüt aus dem Mönchshof nach Güterstein verlegen. Im Jahr danach wird hier das "Niedere Evangelisch-theologische Seminar", ein für Württemberg typisches humanistisches Bildungszentrum eingerichtet. Dem ersten Jahrgang (genannt "Promotion"), der 1818 hier einzieht, gehört auch der Dichter-Pfarrer Eduard Mörike (1804-1875) an. Das Seminar wird bis zum Jahre 1977 bestehen bleiben.

1828

Die Stadt Urach erweitert sich und durchbricht dabei erstmals den alten Mauerring.

1838

Gründung des ersten Uracher Industriebetriebes, der "Mechanischen Flachsspinnerei" als erster Maschinenspinnerei des Landes.

1848

Wegen der aufkommenden Unruhen wird in Urach eine Bürgerwehr gegründet.

1852

Kanzel, Taufstein, Altargitter und die "Kästen" in der Sakristei werden wieder neu gestrichen, das Gewölbe erhält neue Tünche mit "rosarothem Geripp".

1859

Wieder droht der Chor einzustürzen. Offenbar waren die Schäden des 30jährigen Krieges in den vergangenen 200 Jahren immer nur notdürftig beseitigt worden. Mit einer gründlichen Erneuerung des Chors und der angrenzenden Bauteile wird Joseph Egle (1818-1899) beauftragt. Egle ist seit 1853 Direktor der Baugewerkschule in Stuttgart, seit 1857 Hofbaumeister und später Hofbaudirektor. Er engagiert sich vor allem für die Wiederherstellung mittelalterlicher Kirchen, z.B. Frauenkirche in Esslingen, Dom St. Martin in Rottenburg, Peter- und Paulkirche in Weil der Stadt und Hl.Kreuz-Münster in Schwäb. Gmünd. In Esslingen und Urach arbeitet mit ihm sein Schüler August Beyer (1834-1899). Für Urach schlagen sie vor: Sicherung des Chorgewölbes, Altar inmitten des Chores aufstellen, Chorgitter entfernen, Emporen im südl. Seitenschiff entfernen, neues Gestühl für das Langhaus.

1860

Der Uracher Stiftungsrat kann die Kosten für die vorgeschlagenen Arbeiten nicht in dieser Höhe aufbringen. Man macht eine Eingabe und bezieht sich auf 5000 Gulden, die 1499 von den Ablaßgeldern übrig geblieben waren. Nach wiederholtem ablehnendem Bescheid muß der Stiftungsrat die Sanierung auf den Chor beschränken.

1862 - 1864

Zur Verbesserung des Gewölbesystems lassen die Architekten im Chor 10 zusätzliche Rippen mit 20 neuen Rippenkreuzungen einfügen. Das veränderte Bild der Rippenfiguration wird später zu kunsthistorischen Fehlinterpretationen führen. In die Fensteröffnungen zwischen Chor und Oratorium über der Sakristei werden mehrbahnige Maßwerke eingesetzt, die sich an der hochgotischen Formensprache der Esslinger Frauenkirche orientieren. Ein neuer Altar kommt in die Mitte des Chores, das Chorgitter wird ausgebaut. Schließlich wird die südliche Seitenkapelle renoviert, mit Tonfliesen am Boden und Teppichverglasungen in den Fenstern. Einer Empfehlung von Professor Egle folgend wird der Taufstein in diese Kapelle versetzt, die seither als "Taufkapelle" bezeichnet wird.

1866

Ein Sturm reißt das Turmdach herunter. Für das neue Dach wird der bis dahin in Urach ungewohnte Schiefer verwendet.

1873

Mit dem Bau der Ermstalbahn von Metzingen nach Urach erhält die Stadt Anschluß an die Hauptstrecke zwischen Plochingen und Reutlingen / Tübingen.

1880

August Beyer (1834-1899), der zusammen mit Joseph Egle (1818-1899) zwischen 1859 und 1864 die Renovierung der Amanduskirche in Urach leitete, wird Münsterbaumeister in Ulm. Er wird hier in den Jahren 1885 bis 1890 den Turm nach den Plänen aus dem 15. Jahrhundert vollenden, der danach mit 161,60 m der höchste Kirchturm der Welt sein wird.

1883

Erneute werden in der Amanduskirche Risse und Schäden im Gewölbe des Seitenschiffjochs vor der Taufkapelle entdeckt. Trotz eines befürchteten Einsturzes werden die beiden Gewölbe in diesem Joch erst in den folgenden Jahren abgetragen und in verbesserter Form und Figuration wieder eingesetzt.

1884

Die neue Stellung des Altars wird wegen schlechter Akustik immer wieder kritisiert. Man zieht Bauinspector Heinrich Dolmetsch (1846-1908) hinzu. Er ist Steinmetz und Architekt, Schüler und jahrelanger Mitarbeiter von Christian Friedrich Leins (1814-1892), dem bedeutendsten Kirchenbaumeister des 19. Jahrhunderts in Württemberg. Dolmetsch selbst wird in den folgenden 20 Jahren über 60 Kirchen bauen oder erneuern.

1886

Die Planungen Dolmetschs werden auf das Langhaus ausgedehnt. Die beiden Südemporen sollen entfernt, die Westemporen umgebaut, alle Gestühle erneuert, Öfen installiert und der Boden mit "Saargmünder Thonplättchen" ausgelegt werden.

1887 - 1896

Stadt und Kirchengemeinde ringen um die gesetzlich verfügte Trennung von Kirchen- und Stiftungsvermögen. Man will die Stadt noch an den zu erwartenden hohen Instandsetzungskosten beteiligen. Erst 1896 kann man sich einigen. 1893 wird Heinrich Dolmetsch als technischer Gutachter bestellt.

1893 - 1901

Heinrich Dolmetsch (1846-1908) stellt die Marienkirche in Reutlingen wieder her.

1896 - 1901

Nach einer neuen Kostenberechnung für die vollständige Renovierung beginnen im Herbst 1896 die Arbeiten zunächst am Turm.
  • Es stellt sich heraus, dass der Turm bis auf den viereckigen unteren Teil abgebrochen werden muß. Eine Bürgerversammlung beschließt, nach den Planungen Dolmetschs den Turm um ein weiteres Geschoss zu erhöhen und mit einem schlanken Pyramidendach zu versehen.
  • An der Kirche werden alle Dächer neu gedeckt, den Strebepfeilern auf der Südseite werden Baldachine für Apostelstatuen aufgesetzt. Türen werden verändert oder neu ausgebrochen, neue Fenster geschaffen oder die alten mit neuem Maßwerk ausgestattet. Das äußere Bild der Kirche wird somit wesentlich verändert.
  • Innen werden alle Emporen entfernt, eine neue Westempore nimmt nun auch die neue Orgel mit auf. Im neuen Gestühl finden 1.600 Besucher Platz. Der farbige Bodenbelag aus Plättchen und Holzzement ist auf die Farbgebung und Ausmalung des gesamten Innenraumes abgestimmt. Die Kunstmaler Vater und Sohn Bauerle werden mit dem Wandbild über dem Chorbogen beauftragt. 5 gußeiserne Koksöfen und 17 Bogenlampen sorgen für Wärme und Licht.
Einweihung der renovierten Kirche ist am 27.10.1901 im Beisein des württembergischen Königspaares.

1897

Erbauung der katholischen St. Josefskirche in Urach.

1902 - 1922

Nach und nach können die Apostelstatuen in ihren Baldachinen Platz nehmen. Auch die Konsolen an den Mittelschiffpfeilern beiderseits des Alters, 1520 für Maria und Amandus geschaffen, finden nun eine Verwendung: seit 1905 tragen sie die Fürstenstandbilder der beiden in Urach geborenen Herzöge Eberhard im Bart und Christoph.

1907

Bei der Renovierung hatte man die 4 erhaltenen Glasgemälde im Südfenster vor der Taufkapelle zusammengefaßt, unmittelbar über dem neuen Standplatz des Eberhardstuhls. Für das Mittelfenster im Chor entwarf Kunstmaler Bauerle eine Darstellung der Kreuzigung, die von der Bayerischen Hofglasmalerei van Treeck in München ausgeführt wurde. Nun wird durch eine Stiftung dieses Fenster um das Bild des Abendmahls ergänzt.

1914 - 1918

Während des 1. Weltkrieges muß im Oktober 1915 die Kupferdeckung des Turms mit 1650 kg und im April 1917 das altehrwürdige fünfstimmige Geläute mit 4.049 kg zur Ablieferung gemeldet werden. Weil man aber beim Neubau des Turmes keine Öffnungen für die schon vorhandenen Glocken vorgesehen hatte, blieben diese erhalten.

1941

Der NS-Staat beschlagnahmt das Seminar in Urach und richtet in den Gebäuden des Mönchshofs eine Heimschule ein. Erst nach Ende des Krieges kann der Seminarbetrieb wieder aufgenommen werden.

1942 - 1954

Im Oktober 1915 muß die Kupferdeckung des Turms mit 1650 kg und im April 1917 das altehrwürdige fünfstimmige Geläute mit 4.049 kg zur Ablieferung gemeldet werden. Weil man aber beim Neubau des Turmes keine Öffnungen für die schon vorhandenen Glocken vorgesehen hatte, blieben diese erhalten.

1963 - 1973

Architekt Peter Haag aus Schorndorf (1913-1973) erhält den Auftrag eine umfassende Gesamterneuerung auszuareiten. Intensive Untersuchungen verschiedener Experten ergeben folgende Notwendigkeiten: Turm, Strebebögen am Hochschiff, Chordachstuhl und die Gewölbe bedürfen einer kunstruktiven Sicherung. Verweitterungserscheinungen am Kalktuffmauerwerk erfordern ein Sanierungskonzept.

1970 / 71

Bei einer Tiefbohrung im Gewand Diegele wird thermisches Mineralwasser gesucht und gefunden. Ein Thermalbad wird geplant und gebaut.

25.03.1972

Eröffnung des Thermalbades in Urach

1977

Als Folge der gymnasialen Oberstufenreform und wegen des Rückgangs der Schülerzahlen muß das evangelisch-theologische Seminar nach 159 Jahren geschlossen werden.

1977 - 1979

Nach dem Tod von Peter Haag erhält Baudirektor Klaus Ehrlich den Auftrag, die Gesamterneuerung fortzuführen.
  • 1977: Restaurierung der Sakristei
  • 1978 und 1979: neue Eindeckung aller Dächer des Langhauses

1980

Der Mönchshof findet unter der Bezeichnung "Stift Urach" als Einkehrhaus der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eine neue adäquate Bestimmung.

1984

Unter der neuen Leitung von Architekt Rudolf Brändle aus Münsingen gehen die Restaurierungsarbeiten weiter: Turm, Glockenstube, Glockenstuhl, Geläute und Turmuhr.

1986

Fortsetzunge der Renovierung: Chordachstuhl, Gewölbe in Chor und Taufkapelle.

1988 - 1990

Innenrenovierung: Nur der Chor wird im Hinblick auf eine eigenständige Nutzung umgestaltet, die neugotische Ausmalung entfernt, das Chorgitter wieder eingebaut. Das Langhaus aber präsentiert danach im neuen Glanz den alten Kern der spätgotischen Stiftskirche im Kleid des 19. Jahrhunderts.


Dieter Meyer, Juni 2007
Unter primärer Verwendung der
unter "Quellen" angegebenen Veröffentlichungen




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Baubeschreibung:



Dieter Meyer, Juni 2007
Unter primärer Verwendung der
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